WIR HABEN ANTWORTEN –
WIE LAUTEN DIE FRAGEN?
Müssen wir alle sterben?
Was kostet ein Mann?
Wo landen Russlands Homosexuelle?
Wie stark dürfen Zeichnungen überzeichnen?
Das diesjährige Pink Apple Filmfestival wartet nicht nur mit über 90 Filmen auf – sondern unter anderem mit Antworten auf diese vier Fragen. Wiederum dreht sich beim Pink Apple nicht alles nur um Filme – es geht auch um die Geschichten und die Zusammenhänge dahinter.
Erinnert ihr euch an den ersten Kuss zwischen zwei Männern im US-Fernsehen? Er fand nämlich weder in «Dawson’s Creek» noch in «Queer as Folk» statt. Es war Homer Simpson, der vor den Augen der amerikanischen Öffentlichkeit die Lippen eines anderen Mannes auf den seinen spürte. 1990 war das, und Homer ist wegen dieses einen Kusses nicht gleich schwul geworden. Dass aber ausgerechnet zwei gezeichnete Figuren ihre Münder Richtung Sodom schürzen durften, kommt nicht von ungefähr. Genauso wenig wie das Thema Homosexualität bei den «Simpsons», dem sich im Rahmen des Specials «Comics out!» in Frauenfeld ein Vortrag widmet.
Der jüngste Konflikt zwischen Russland und der Ukraine liess ein anderes in den letzten Monaten medial diskutiertes Russland-Thema in den Hintergrund rücken: die Gesetzesoffensive, mit der die russischen Machthaber die Diskriminierung von gleichgeschlechtlich Liebenden staatlich fördern. Die Diskussion darüber hat allerdings nicht nur hässliche Aspekte hervorgebracht. So haben Figuren der Weltpolitik das erste Mal in der Geschichte der Olympischen Spiele die Rechte der Lesben und Schwulen aufs Tapet gebracht. Doch mit dem Ende der Olympiade in Sotschi haben sich die Augen der Welt von Russlands Lesben und Schwulen wieder abgewandt. Wir schauen hin – bei unserem Schwerpunktthema «Homophobie in Russland».
Während in der EU laut über ein Verbot der Prostitution zum Schutz der Frauen diskutiert wird, spricht einmal mehr niemand über männliche Sexworker. Doch Sex gegen Geld ist unter Männern in der Schweiz genauso verbreitet wie im Rest der Welt. Sechs Filme zu diesem Schwerpunktthema und ein Pink Talk nehmen sich der Frage an, wie es sich denn mit Callboys, Strichern und Escorts verhält.
Vor fünf Jahren warnte ein evangelikaler Zürcher Politiker, Homosexualität müsse man nicht zuletzt deshalb bekämpfen, weil sie schlecht für die Gesundheit sei. So würden sich etwa Schwule viel häufiger umbringen als Heteros. Der Mann hatte nicht ganz Unrecht, was die Wirkung betraf, irrte aber in der Ursache. Tatsächlich ist die Suizidrate gerade bei gleichgeschlechtlich fühlenden Jugendlichen erschreckend hoch. Wir sind überzeugt: Schwullesbische Filme schauen senkt das Risiko. Wir haben nicht nur unter dem Motto «Der letzte Ausweg» Suizid als diejähriges Schwerpunktthema definiert. Wir haben auch ein Kurzfilmprogramm für Schulen zusammengestellt, das die Akzeptanz von Schwulen und Lesben fördern soll.
In den Bergen Albaniens würde man Travestie nicht unbedingt vermuten. Der Begriff führt tatsächlich auf eine falsche Fährte, auch wenn er im Kern zutrifft. Denn wenn kein passender Mann mehr da ist, können Frauen die Führung eines Clans übernehmen. Allerdings müssen sie dafür Jungfräulichkeit schwören. Als Gegenleistung spielen sie künftig die gesellschaftliche Rolle eines Mannes, mit allen damit einhergehenden Privilegien. Wir zeigen einen Diavortrag der bulgarischen Fotografin Pepa Hristova, die diesem Phänomen auf den Grund gegangen ist.
Und ja, neben all den Schwerpunkten haben wir sie auch dieses Jahr wieder: die schönen, die traurigen, die lustigen, die nachdenklich stimmenden. Die erschreckenden, die fröhlichen, die absurden. Die lesbischen, die schwulen und die nicht genau definierbaren. Die kurzen und die langen Filme. Blättert im Programm, und lasst euch mitreissen von der Vielfalt an Ideen, aus denen auf der ganzen Welt hinreissende Geschichten gedreht wurden.
Eines wissen wir nach 16 Festivals bestimmt: Die Figuren unserer heutigen Filme haben an Komplexität zugelegt. Nicht mehr ihre Sexualität ist die Wurzel aller Probleme, sondern schlicht ihr Leben und all die damit verbundenen Ängste, Sorgen und Nöte. Damit sind die Charaktere nicht mehr nur Vertreterinnen und Vertreter einer sexuellen Minderheit, sie sind vor allem eines: Menschen. Sie erleben das Glück und das Unglück wie ein jeder Mensch. Und ihr dürft dabei sein!
Euer Pink-Apple-Team